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Medgyessy’s Brief an die Zeitschrift 168óra

Liebe Tatsächliche Macht! 
 
Ich halte dafür, daß meine Anrede keiner Erklärung bedarf, weil wie es auch Du weißt, die tatsächliche Macht wird von der Öffentlichkeit verkörpert. Ich versprach, mit gemeinsamer Kraft ein friedlicheres, ruhigeres Land zu schaffen, wo das Leben gut ist. Und heute stelle ich fest - Du schreibst es ja auch - es tut sich etwas. Dies verlangt allerdings, daß man offene Herzen und offene Ohren hat. Du hast zwar in einem ebenfalls recht, man muß nicht für alles offen sein. Du weißt ja doch, daß man während des Krieges kein Frieden geschlossen wird. Hingegen kann man und muß man nach dem Friedensabschluß Zugeständnisse machen, das ist eine Frage nicht nur der Großzügigkeit, sondern auch der Vernunft. Denn der Frieden wäre ohne Zugeständnisse und ohne Suche nach dem Konsens nicht zu bewahren.  
Du magst zwar den Frieden, dennoch machst Du Dir Sorgen um mich, ich könnte ja auch schwach werden. Als Beispiel zitierst Du die Sache des Hauses des Terrors. Mit dieser Institution stellten die Rechten eine häßliche und hinterlistige Falle auf und meine linksliberalen Freunde tappten brav in diese Falle hinein. Anstatt für das Gute zu votieren und nur die Falschheit zu beanstanden, lehnten sind aus Empörung alles ab. Anstatt zu sagen: die Mängel sollte man ja beheben, denn der weiße Terror, der Nazismus, der Faschismus und der Holocaust dürfen in der Reihe von Diktaturen und Terror des 20. Jh. nicht fehlen.  
Ich habe keine Angst davor, dass der Feind angesichts meiner rationalen Schritten nach vorne (oder zurück?) denken könnte, ich wäre erpressbar. Das Gegenteil habe ich schon mehrmals bewiesen. Ich glaube fest daran, daß ich im Recht bin und auch daß mein Führungsstil die richtige ist. Dies werden meine Freunde und meine Gegner noch jahrelang erleben können.  
Es ist egal, wie ich reagiere, Du kritisierst mich auf jeden Fall; wenn ich wegen des „Hattyúház nicht verärgert bin dann deshalb, und wenn ich es tue, dann eben dafür. Du meinst, ich wäre nicht genug hart gewesen, ich hätte nur meine Krallen ausprobieren wollen. Nun, ich bin wirklich überzeugt, im Falle des „Hattyúház“ richtig gehandelt zu haben. Du mußt allerdings wissen, daß nicht die Rechtsvorschriften sondern die Ethik in diesem Fall verletzt wurden. Und ich kann eine solche Verletzung auch nicht dulden. Nur dies gibt mir die moralische Voraussetzung, auch mit der anderen Seite hart umzugehen können. Ich messe nämlich nicht mit zwei Maßstäben.  
Ich danke Dir vielmals, dass Du mich mit deinem Brief geehrt hast. Es dürfte Dir vielleicht anders erscheinen, Dein Brief war für mich trotzdem aufschlußreich. Zugleich würde ich mir wünschen, daß auch Du mich verstehst: daß du verstehst, daß ich Deinetwegen mich so zahm zeige auch dann, wenn ich in meinem Inneren in der Tat öfters böse bin.  
Liebe Tatsächliche Macht, ich wünsche Dir einen guten Rutsch ins Neujahr! 
 
Ministerpräsident Medgyessy Péter  
 
2003/3, 168 óra 
 

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Letzte Änderung am 6.02.2003
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